Gutachten

Hier finden Sie die aktuellen Gutachten und Berichte der Arbeitsgruppe des Grazer Menschenrechtsbeirates:

Gesamtgutachten (11.10.2021)

Endbericht über die analysierten Themen und Diskurse (11.10.2021)

Erste Bewertung (16.9.2021)

Erster Bericht über die analysierten Themen und Diskurse (16.9.2021)

 

Gesamtgutachten vom 11.10.2021

1.    Recht auf angemessenen Wohnraum

Grün wurde der gesamte Diskurs zum Recht auf angemessenes Wohnen aus menschenrechtlicher Sicht bewertet. Alle Aspekte des Rechts auf angemessenen Wohnraum wurden angesprochen, insbesondere zum bedarfsorientierten Wohnraum.

Gelb. Der von der FPÖ geforderte Heimvorteil für Grazer:innen im Zugang zu Gemeindewohnungen ist menschenrechtlich bedenklich unter den gegebenen Umständen einer stark wachsenden Stadt und knappen verfügbaren und leistbaren Wohnraums. Von der vorgeschlagenen Regelung ist eine große Gruppe an Menschen, die in Graz arbeiten, studieren oder aufgrund von familiären Verpflichtungen nach Graz übersiedeln, betroffen.

2.    Soziales und Gesellschaft

Grün. Die Diskurse zum gesellschaftlichen Zusammenhalt, Positionen zu Nicht-Diskriminierung und sozialer Sicherheit der ÖVP, KPÖ, Grüne, SPÖ zeigten ein positives Verständnis zu Vielfalt und zur Absicherung auch der schwächeren Mitglieder der Gesellschaft. Über Zugang, Leistbarkeit, Verfügbarkeit, Qualität von Gesundheitsleistungen wurden die Diskurse von KPÖ, FPÖ, SPÖ, ÖVP, Piraten, ebenso wie die Diskurse zu Alter und Generationen (KPÖ, FPÖ, FBP) als menschenrechtsfördernd in ihren sachlichen Aspekten bewertet. Ausnahme auch hier die Benachteiligung von Ausländer:innen seitens FPÖ, THC bzw. FBP. Eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sowie Kinderbetreuung wurde von allen Parteien gefordert und mit grün bewertet. KPÖ, Grüne, SPÖ, ÖVP führen menschenrechtsfördernde Diskurse zu angemessenen Rahmenbedingungen und Vergütung von Arbeit. Insbesondere wurde auch die Inklusion von Menschen mit Behinderung (SPÖ, ÖVP, KPÖ, FPÖ) angesprochen. Dasselbe galt für Bildung (Zugang, Teilhabe, Qualität), hier wurde nur von SPÖ und KPÖ auch die Inklusion von Menschen mit Behinderung thematisiert.

Gelb. Deutsch als Muttersprache in Schulen wurde seitens der FPÖ als Ausgangspunkt für “eine Ausweitung des ‚Heimvorteils‘ auf sämtliche Sozialleistungen der Stadt“ auf dem Rücken der betroffenen Schulkinder missbraucht. Dieser Diskurs wurde 2017 mit einer roten Ampel bewertet, 2021 eine gelbe Ampel, weil der Diskurs ein Teilstrang des gesamten „Heimvorteildiskurses“ war, der in diesem Fall rassistisch auf Kosten derer ausgetragen wurde, die nicht frei wählen können.

3.    Kinder und Jugendliche

Grün. Die Diskurse zur kinderfreundlichen Stadt, der Partizipation von Kindern und Jugendlichen (SPÖ, Piraten, Grüne, ÖVP, KPÖ) und zu Zugang, Teilhabe, Leistbarkeit, und Qualität von Bildung wurden insgesamt positiv bewertet. Zur Präferenz der FPÖ für Inländer:innen siehe 7.

4.    Frauen

Grün. Gleichstellung in der Arbeitswelt, der Politik, in Wirtschaft und Verwaltung wurden von ÖVP, SPÖ, Grüne, KPÖ gefordert und mit konkreten Umsetzungsvorschlägen versehen. Gewaltschutz und Prävention wurden von KPÖ, SPÖ, Grüne, Piraten, FPÖ, Satirepartei thematisiert. Repräsentation (Öffentlicher Raum, Sprache) wurde von SPÖ und Grüne diskutiert.

Gelb. Die FPÖ lehnt geschlechtergerechte Sprache ausdrücklich ab. Da diese Forderung auch Auswirkungen auf die Sprachregelung der öffentlichen Hand hat, stellt die Ablehnung eine Teilhabeverweigerung dar.

5.    Demokratie, Transparenz und Partizipation

Grün. Die Diskurse über Bürger:innenbeteiligung, Recht auf Information, Transparenz sowie Datenschutz und eGovernment wurden als menschenrechtsrelevant eingestuft.

Gelb. Die Forderung der FPÖ zur Einschränkung der Versammlungsfreiheit auf Geschäftszeiten war nicht verhältnismäßig und ist nicht notwendig in der Demokratie. Diese Forderung hätte in ihrer Umsetzung eine Einschränkung der in der Verfassung abgesicherten Grundrechte und Freiheiten zur Folge.

6.    Stadtplanung, Verkehrspolitik, Klimaschutz, öffentlicher Raum

Grün. In unterschiedlichen Aspekten wurden Themen um das Recht auf angemessenen Wohnraum angesprochen und diskutiert. Die sachlichen Forderungen und Vorschläge waren nicht zu bewerten, die Vorschläge waren aus menschenrechtlicher Sicht als eindeutig menschenrechtsfördernd zu bewerten. Die Ausnahme sind Äußerungen, in denen für bestimmte Zielgruppen Teilhabe und Zugang ausgeschlossen werden, diese sind unter 7. bewertet.

7.    Migration, Integration und Staatsbürger:innenschaft

Grün. Die Diskurse zu Integration von Menschen mit Migrationserfahrung oder Migrationsbiografie sowie deren gesellschaftlicher und politischer Teilhabe über entsprechende Sozialleistungen, Bildungsangebote, Zugang zu Wohnraum, kulturelle Rechte der Parteien ÖVP, KPÖ, SPÖ, Grüne, NEOS und Piraten waren vom Verständnis geprägt, dass die Stadtgesellschaft alle Menschen umfasst und soziale Resilienz nur in einem von Teilhabe geprägten Miteinander funktionieren kann. Soweit einer Bewertung zugänglich, lautet diese grün.

Gelb. FBP, THC und FPÖ führten Diskurse, die oben beschriebene Haltung nicht teilen, sondern davon ausgingen, dass gesamtgesellschaftliche Politik inländerdiskriminierende Politik sei. Sie propagierten eine ethnische Konstruktion von „Wir-und-die-anderen“. Sachpolitikthemen wurden nur scheinbar behandelt, verwiesen schließlich thematisch hauptsächlich darauf, dass nicht allen alle Rechte zustünden. Ausländer:innen wurden als kriminell pauschaliert. Muslime wurden als religiös motiviert extremistisch verallgemeinert. Afghanen wurden als unerwünscht und pauschal als problematische Gruppe diffamiert. Sämtliche Themen und Diskurse im Kontext von Integration und Migration der genannten Parteien waren abwertend und ausschließend. Darüber hinaus war bei diesen Parteien in ihren Publikationen öfters eine sehr aggressive Bildsprache zu finden.

Rot. Der von der FPÖ in der zweiten Plakatserie aufgebrachte Diskurs „Heimvorteil“ erfüllte sämtliche Kriterien eines Wahlkampfs auf Kosten von Menschen. Der Diskurs war kommunalpolitisch nicht relevant. Er war abwertend und ausgrenzend. Er bediente rassistische Haltungen aus dem Motiv der Stimmenmaximierung. Der Menschenrechtsbeirat sah wesentliche Kriterien zur Beurteilung mit einer roten Ampel als erfüllt an (Konstruktion von Minderwertigkeit bestimmter Gruppen, Ableitung von benachteiligenden Maßnahmen bzw. Herleitung von Privilegien für die „eigene“ Gruppe, Erzeugung von Vorurteilen, bildhafte „Entmenschlichung“ von Menschen). Der Diskurs wurde mit Absicht und wissentlich geführt und war einer breiten Öffentlichkeit zugänglich. Er war in seiner Absicht den Adressaten eindeutig erkennbar. Der Diskurs „Heimvorteil“ der FPÖ war geeignet, Hass zu erzeugen und den sozialen Frieden zu gefährden. Er verletzte das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen von Rassendiskriminierung durch die Präferenz für eine ethnische Gruppe in der Verwirklichung von Menschenrechten wie Zugang zu Wohnraum, Gesundheitsversorgung, Bildung und sozialer Sicherheit.

Die Relativierung, es wären nur irregulär aufhältige Personen gemeint, alle anderen wären „herzlich willkommen“, zielt ins Leere, wenn in Betracht gezogen wird, dass sich diskriminierende Forderungen in beinahe allen thematischen Diskursen fanden.

Der Diskurs „Heimvorteil“ war von der Arbeitsgruppe Wahlkampfmonitoring des Grazer Menschenrechtsbeirates aufgrund der dargelegten Gründe mit einer roten Ampel zu bewerten.